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Der Ukraine-Krieg und die Schweizer Neutralität - Warum wir jetzt mehr Kooperation brauchen

19. März 2022

Votum zur dringlichen Debatte über den Krieg in der Ukraine, Nationalrat, 16. März 2022

Die Grünliberalen verurteilt den Angriff Russlands auf die Ukraine aufs Schärfste. Unsere Gedanken sind bei der ukrainischen Bevölkerung, der wir unser Mitgefühl, unsere Solidarität und unsere Unterstützung aussprechen. Wir nehmen aber auch zur Kenntnis, dass der Bundesrat zu Beginn des Kriegs einen etwas überraschten Eindruck machte. Wir erwarten deshalb, dass er in der Zukunft Krisen besser antizipiert und in der Krise departementsübergreifend funktioniert.

Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine ist die seit dem Zweiten Weltkrieg massivste Verletzung des Völkerrechts und der Unabhängigkeit eines europäischen Staats durch einen anderen Staat. Auch neutrale Staaten wie die Schweiz sollen sich klar gegen diese Verletzung des Gewaltverbots gemäss der UNO-Charta aussprechen, wie dies auch der Bundesrat getan hat. Wir Grünliberale begrüssen es deshalb ausdrücklich, dass die Schweiz die Sanktionen gegenüber Russland vollständig übernimmt, auch in der Zukunft. Das ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität gegenüber der Ukraine, aber auch gegenüber Europa und seinen Werten.

Neutralität bedeutet nicht, dass wir keine Haltung einnehmen, Neutralität muss stets politisch eingeordnet werden. Und hier dürfen keine Zweifel bestehen, wo die Schweiz steht, nämlich auf der Seite der Demokratie, der Selbstbestimmung und des Rechtsstaats. Die Neutralität der Schweiz zeichnet sich hingegen dadurch aus, dass wir keinem Verteidigungsbündnis angehören; wir arbeiten mit der Nato zusammen, gehören ihr aber nicht an.

Angesichts des Leids und der Zerstörung in der Ukraine ist es wichtig, dass so rasch wie möglich weitere Verhandlungen über einen sofortigen Waffenstillstand stattfinden.
Wir Grünliberalen begrüssen es deshalb auch, dass der Bundesrat die guten Dienste der Schweiz anbietet. Dieser Krieg ist der Krieg eines aus dem Tritt geratenen autokratischen Herrschers gegen ein demokratisches Land in Europa. Dieser Krieg bedroht nicht nur die Souveränität der Ukraine, sondern Frieden, Freiheit und Demokratie in ganz Europa und somit auch in der Schweiz. Es ist ein Angriff auf die europäische Wertegemeinschaft, wovon die Schweiz ebenfalls Teil ist. Wir vertreten die gleichen Grundwerte wie die EU und andere europäische Staaten, und diese Grundwerte sind nun in Gefahr.

Es ist deshalb Zeit, dass die Schweiz die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union ausbaut, einen deutlich stärkeren Beitrag zur europäischen Integration leistet und auch daran teilnimmt. Dabei geht es nicht nur um die Integration in den europäischen Binnenmarkt, sondern es geht auch darum, dass sich die Schweiz gemeinsam mit der europäischen Staatengemeinschaft für Frieden, Freiheit, Demokratie, Solidarität und Rechtsstaatlichkeit einsetzt. Weiter geht es auch darum, dass die Schweiz gemeinsam mit der europäischen Staatengemeinschaft unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützt. Und es geht auch darum, dass die Schweiz ihren Beitrag zur Sicherheit in Europa leistet.

Wir Grünliberalen fordern deshalb eine stärkere Zusammenarbeit mit der EU und der Nato. Wir fordern keinen Nato-Beitritt, weil das die Neutralität der Schweiz verletzen würde, aber die Schweiz soll die Möglichkeiten ausschöpfen, damit sie einen möglichst grossen Beitrag an die kollektive militärische Sicherheit in Europa leisten kann, insbesondere auch in Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten und der EU. Selbstverständlich ist für uns auch, dass sich die Schweiz solidarisch an der Aufnahme und gegebenenfalls der Integration von vor dem Krieg geflüchteten Personen beteiligt - rasch und unkompliziert. Die Schweiz mit ihrer starken und erfahrungsgemäss krisenresistenten Wirtschaft soll sich aber auch solidarisch an der Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz und am ökologischen Umbau der Wirtschaft beteiligen.

Wir bitten Sie, Hand zu bieten für eine stärkere Zusammenarbeit der Schweiz mit den europäischen Staaten, auf allen möglichen Ebenen. Wenn dieser Krieg eine Klarheit geschaffen hat, dann ist es die, dass sich die Schweiz wieder stärker bewusst ist, wohin sie gehört. Die Schweiz gehört zu Europa, ohne Wenn und Aber.